Ich bin neu hier
Die Anmeldung dauert nur wenige Augenblicke.
Einfach losgehen. Völlig frei sein. Neue Orte sehen, neue Menschen kennenlernen. Aber auch: neue Arbeitstechniken erlernen. In unterschiedlichen Betrieben arbeiten. Wer auf die Walz geht, folgt einem jahrhundertealten Ritual. Abenteuer ist garantiert, eine entbehrungsreiche Zeit auch.
Wanderschaft mit ganz eigenem Tempo
Früher war es sogar mal Pflicht, heute gilt es als etwas Besonderes: Gesellen, die durch blühende Felder laufen oder an der Straße stehen und auf die nächste Mitfahrgelegenheit beim Trampen hoffen. Die Tippelei hat die Jahrhunderte überdauert, manchmal wirkt sie sogar ein bisschen aus der Zeit gefallen. Kein Wunder, passt die lange Wanderschaft mit ihrem ganz eigenen Tempo doch so wenig in die heutige Welt, die vollgestopft ist mit Schnelligkeit, Stress und Termindruck.
Wer auf der Walz ist, entschleunigt und lebt in seinem ganz eigenem Tempo. Die zünftigen Gesellen bestimmen ganz alleine, ob sie an einem Platz bleiben oder lieber weiter ziehen wollen, ob sie es eilig haben oder eher ein gemäßigteres Tempo vorziehen.
Doch selbst, wer schnell sein will, ist es nicht immer. Wer weiß schon, was jeder neue Tag so bringt. Wer beim Trampen nur schwer voran kommt oder beim Wandern auf besseres Wetter warten muss, weiß: Mit dem Terminkalender lässt sich die Walz ziemlich schlecht planen.
Bevor es auf die Walz geht
Nicht jeder kann einfach so auf Wanderschaft gehen, einige Voraussetzungen müssen meistens erfüllt sein. Die Regeln unterscheiden sich von Schacht zu Schacht und als Freireisender ist es eh nochmal anders. Grundsätzlich gilt meistens: Wandergesellen dürfen maximal 30 Jahre alt, ledig, noch kinderlos und schuldenfrei sein. Weitere Voraussetzung: eine abgeschlossene Lehre, nur Gesellen können auf Wanderschaft gehen. Diese Regeln unterschieden sich natürlich von Schacht zu Schacht.
Dazu kommt der Abstand zum Heimatort, den alle zünftigen Gesellen während der Wanderjahre wahren müssen, meist sind dies um die 50 Kilometer. Um sicher zu sein, dass diese Bannmeile nicht mehr überschritten wird, ziehen viele Wandernde auf der Karte einen Kreis in der festgeschriebenen Größe um die eigene Stadt herum. Auch ein eigenes Fahrzeug dürfen die Gesellen nicht benutzen. Die meisten Tippelbrüder sind deshalb per Anhalter unterwegs.
Wenn es los geht mit der Walz, wird der Neuling in der Regel von einem anderen Wandersgesellen abgeholt, dieser begleitet ihn während der ersten Monate und weist ihn in das Regelwerk der Walz ein. Darunter fallen auch die zahlreichen geschriebenen und ungeschriebenen Regeln der Walz. Dazu gehört vor allem die Ehrbarkeit, also Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Achtung vor der Ehre der Mitmenschen und Gewaltlosigkeit. Schließlich wollen die Nächsten, die auf Wanderschaft sind, die gleiche Gastfreundschaft erfahren wie die Vorgänger.
Übrigens: Inzwischen sind auch einige Frauen auf Tippelei. Manche Schächte nehmen sie auf, ansonsten können sie natürlich auch individuell auf Wanderschaft gehen.
Warum auf Wanderschaft?
Über drei Jahre von zu Hause weg sein und auf Reisen zu gehen, ist nicht für jeden etwas. Zünftige Gesellen sind ständig unterwegs, haben keine feste Bleibe und wissen oft nicht was der nächste Tag so bringt. Wer sich aber einmal für die Walz entschieden hat, den erwarten viele neue Orte und Menschen, Abenteuer und viel Lebenserfahrung.
Daneben ist die Tippelei aber auch so etwas wie eine sehr lange Fortbildungsreise. Wandernde arbeiten bei anderen Betrieben, lernen andere Arbeitstechniken und Arbeitsabläufe kennen. Sicher sind die Unterschiede heute nicht mehr so groß wie noch vor ein paar hundert Jahren, trotzdem kann es nie schaden Neues dazu zu lernen.
Videoauswahl - Rund um die Walz
Auf Tippelei: Mit Schächten oder als Freireisender
Wer auf die Walz gehen will, hat zwei Möglichkeiten. Entweder er schließt sich einer der Schächte - also Handwerkervereinigungen - an oder geht als Freireisender auf Wanderschaft. Eine Übersicht.
Was Du dabei haben solltest
Jeder Schacht hat seine eigenen Riten und Regeln, dazu gehört auch die Kleidung, die während der Walz getragen wird. Meistens heißt das: Zunfthose, Zunftweste, Zunftsakko und eine Staude zum Drunterziehen. Außerdem ein schwarzer Hut, zum Beispiel eine Melone oder ein Zylinder. Der Wanderstock wird als Stenz bezeichnet uns ist meistens entweder aus gedrehtem Holz oder als geschwungener Naturholzstock erhätlich. Das wenige an Hab und Gut, dass die Fremdgeschriebenen dabei haben dürfen, tragen sie im Charlottenburger, einem Stofftuch, herum.
Schlafplätze für unterwegs
Wer auf der Walz ist hat selten über einen größeren Zeitraum eine feste Unterkunft. Höchstens an einem der vorübergehenden Arbeitsplätze schlafen die zünftigen Gesellen mal länger am selben Ort. Ansonsten gilt: Geschlafen wird, wo Platz ist. Das kann im Notfall auch mal ein EC-Hotel, also der Vorraum einer Sparkasse, sein. Wandernde werden aber auch oft zu Leuten nach Hause eingeladen, bei der jeweiligen Arbeitsstelle helfen der örtliche Meister oder die Innung meistens bei der Suche nach einem Schlafplatz.
Dazu gibt es die sogenannten Herbergen. In diesen können zünftige Gesellen oft eine Nacht umsonst Quartier beziehen. Die Herbergen haben aber noch andere Vorzüge: In ihnen treffen sich oft verschiedene reisende Brüder. Herbergen sind also zusätzlich ein Ort des Austausches über die bisherigen Erfahrungen und den weiteren Weg.
Wo es hin geht
Grundsätzlich können die Fremden hingehen, wo sie wollen. Einzige Ausnahme ist natürlich der Heimatort, Reisen dorthin sind nur in Ausnahmefällen, also etwa bei schwerer Krankheit oder bei einem Todesfall, erlaubt.
Bei einigen Schächten muss der zünftige Geselle die erste Zeit auf der Walz in Deutschland verbringen, danach kann er auch ins Ausland ziehen. Dem weiteren Weg sind dann keine Grenzen gesetzt. Das Fliegen mit einem Flugzeug ist während der Tippelei erlaubt, die Reise kann also auch auf einen anderen Kontinent gehen. In vielen Ländern gibt es inzwischen Anlaufstellen und Arbeitsmöglichkeiten für die Fremden.
Außerdem gibt es die Confédération Compagnonnages Européens - Europäische Gesellenzünfte (CCEG). Dort sind Schächte aus Deutschland und Frankreich in einem gemeinsamen Dachverband vereint.
So war es früher auf der Walz
Das 15. Jahrhundert: Unter Adligen, Akademikern und Kaufleuten war das Reisen damals sehr verbreitet, wenn auch in viel geringerer Form als heute. Die mit Abstand größte Gruppe der Reisenden waren allerdings die zünftigen Handwerksgesellen. Ab dem 16. Jahrhundert gehörte die Wanderschaft für viele Gesellen sogar zur Pflicht. Die Zahl der Handwerker auf der Walz war dementsprechend hoch, die Tippelei etwas ganz Alltägliches.
Sie konnten damals auf ein flächendeckendes Zunftnetz zurückgreifen. Die Zeit, die ein lediger Handwerker auf der Walz verbrachte, war in vielen Fällen sogar identisch mit der Zeit als Geselle. Die Wanderschaft also eine Voraussetzung, um Meister zu werden. Durch das Wandern sollten die Gesellen vor allem Baustile aus anderen Regionen erlernen, teilweise wurden sie deshalb gezielt in solche Gegenden geschickt. In einem Ratgeber aus dem Jahr 1842 steht, dass die Walz vor allem der fachlichen Ausbildung dient: der Geselle lernt neue Handgriffe, Produkte und Werkzeuge kennen und wird in für ihn bis dahin unbekannte Produktionsweisen eingeführt.
In keinem anderen Land gingen so viele Gesellen auf Wanderschaft wie in Deutschland. Lediglich in Frankreich gab es die gleiche Tradition, wenn auch wesentlich schwächer ausgeprägt.
Die richtige Kluft
Viele, die auf Walz gehen, haben zwei komplette Outfits dabei. Eines für die Reise und eines für Arbeiten. Die Kluft für die Reise ist meistens maßgeschneidert, mit persönlichen Vorlieben und Anforderungen der Zunft. Die Bekleidung für die Arbeit ist normale Zunftbekleidung, die oft bei uns gekauft wird. Dazu zählen z.B. folgende Artikel: